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Mai 2003
whisky-seiten

Hintergründe

Die Absatzzahlen unabhängiger Abfüllungen steigen pro Jahr um 15 bis 25%. Einige Label füllen ganze Regale - andere verschwinden wieder so schnell in der Versenkung, wie sie auf der Bühne erschienen waren. Woran liegt es? Sind es die Preise oder ist es die Qualität? Kann es eine Mischung aus beidem sein oder gibt es noch weitere Gründe?

Die Definition einer unabhängigen Abfüllung besagt, dass ein Malt Whiskyfass einer bestimmten Brennerei von einer Firma abgefüllt wird, die von der Brennerei unabhängig ist. Diese Definition birgt bereits das Problem in sich. Warum füllt die Brennerei das Fass nicht selbst ab und schöpft seinen eigenen Gewinn daraus? Die Antwort ist genauso einfach, wie logisch. Man denkt in den Brennereien nicht in einzelnen Fässern, sondern in LKW- oder Containerladungen. Einzelne Fässer stehen nicht zum Verkauf. Die oft auf dem Etikett angetroffene Aussage: "Diese Flasche ist eine von nur 345 Stk., die aus einem speziell ausgesuchten Fass abgefüllt wurde." ist nur zum Teil richtig. Der Unabhängige Abfüller, im weiteren Gebrauch mit UA bezeichnet, darf nicht durch Lagerhäuser laufen und sich die 'besten' Fässer herauspicken. Der Eindruck wird zwar auf dem Label geweckt, doch er ist nicht wirklich wahr.

Mitarbeiter der Brennerei selbst suchen zunächst die Fässer aus ihren Lagerhäusern aus, die sie selbst als Single Malt Whisky abfüllen. Eine gute Brennerei nimmt dafür nur die 10 bis 25% besten Fässer. Brennereien mit sehr starker Nachfrage sind in manchen Jahren genötigt, mehr als 50% der Fässer selbst auszuwählen. Der verbleibende Rest ist entsprechend gering. Als zweites werden die konzerneigenen Blended Whiskys bedient. Bei großen Marken kann das den gesamten Rest ausmachen. Für Dritte bleibt in so einem Fall nichts übrig.

Die restlichen Fässer werden meistbietend abgegeben. Auch jetzt darf man sich nicht vorstellen, dass Rosinen gepickt werden dürfen. Der Käufer muss unsortierte Fässer unprobiert kaufen und auch in relativ kurzer Zeit aus der Brennerei abholen. 40 bis 80 Fässer umfasst ein typisches Los. Das entspricht der Ladung eines halben bzw. ganzen LKWs. Drei verschiedene Käufertypen gibt es. Supermarktketten, die ihre eigenen Hausmarken befüllen; Zwischenhändler, die unabhängige Blended-Whisky-Hersteller bedienen; und die UA, die fassrein abfüllen.

Nur große, renommierte UA können es sich finanziell leisten, 40 Fässer gleichen Alters aus einer einzelnen Brennerei zu erwerben. Viel Kapital und vor allem ein eigenes zollfreies Lagerhaus sind dazu nötig. Das können sich derzeit nur fünf oder sechs UA s leisten. Wie kommen jetzt die vielen, kleinen Abfüller an ihre Fässer?

Auch die großen UA sind noch nicht so groß, dass sie alle Fässer aus einem Los in Flaschen verkaufen können. Doch sie ziehen Proben von allen gekauften Fässern und picken sich die Rosinen heraus. Das ist das Privileg des Käufers. Einige werden gleich abgefüllt, andere lagern für weitere 10 bis 20 Jahre und müssen sich ihren Kaufpreis erneut verdienen. Die Großen tauschen auch gerne untereinander. Die Fässer, die durch die Netze der Großen fallen, werden dann an kleinere UA s weiter verkauft. Diese picken sich erneut die Besten heraus und lassen sie oft beim großen UA auch abfüllen. Das geht so weiter, bis die allerletzten dieser Fässer keine Abnehmer mehr finden und über diverse Zwischenhändler, die alle an diesen Fässern verdienen müssen, an Privatleute auf der ganzen Welt verkauft werden.

Die großen UA lagern in ihren La

gerhäusern bereits heute jeweils mehr als 1.000 Fässer. Man beschränkt sich nicht mehr nur aufs Abfüllen. Man besitzt mittlerweile eigene Brennereien, lagert gekaufte Fässer weiter und füllt zur Nachreifung um. Man darf bei diesen großen UA nicht mehr nur von Abfüllern sprechen. Sie sind zu eigenständigen Whiskyfirmen geworden.

Falls jetzt der Eindruck entsteht, dass alle Abfüllungen der Kleinen nicht so gut sind, so muss das für eine spezielle Flasche und ihren Käufer nicht zutreffen. Das Geschmacksempfinden des einzelnen Menschen ist nicht angeboren, sondern über viele Jahre individuell erlernt. Eine Flasche eines kleinen Abfüllers kann deshalb durchaus schmecken. Die Auslese der großen Abfüller richtet sich nach einem angenommenen Durchschnittsgeschmack und einem bevorzugten Hausstil. Da kann das eigene Geschmacksempfinden auch einmal stark abweichen.

Es bleibt genügend Platz für kleine Abfüller. Sie leiden jedoch alle an den gleichen Symptomen: Geringe Flaschenanzahl, da nur einzelne Fässer erworben werden können; z.T. erhebliche Abweichungen vom allgemein gewünschten Geschmack; überwiegend Flaschen im Altersbereich von 10 bis 14 Jahren, da keine eigenen Lagermöglichkeiten vorhanden sind. Die Probleme machen den meisten kleinen UA das Leben so schwer, dass sie nur selten den Weg in die Top-Liga schaffen. Die Großen bleiben unter sich und teilen sich den Kuchen auf. Es ist schon erstaunlich, wie manchmal innerhalb weniger Wochen eine Vielzahl unabhängiger Abfüllungen der gleichen Brennerei auf dem Markt erscheinen. Es ist ein untrügliches Anzeichen, dass wieder einmal ein voll geladener LKW den Hof einer Brennerei in Richtung eines der großen, unabhängigen Abfüller verlassen hatte.

Cpoyrigth by TheWhiskyStore